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Amnesty: Fast dreimal so viele Hinrichtungen wegen Drogendelikten wie im Vorjahreszeitraum

Die iranischen Behörden haben 2023 bereits mindestens 173 Personen hingerichtet, die nach systematisch unfairen Gerichtsverfahren wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden. Das sind laut Amnesty fast dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Betroffen sind vor allem Menschen aus marginalisierten und wirtschaftlich benachteiligten Verhältnissen.


Hinrichtungen wegen Drogendelikten machen zwei Drittel aller in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 in Iran vollstreckten Exekutionen aus. Rund 20 Prozent der registrierten Hinrichtungen betrafen Angehörige der verfolgten und verarmten ethnischen Minderheit der Belutsch*innen, obwohl diese nur fünf Prozent der iranischen Bevölkerung ausmacht. Belutsch*innen gehören auch zu der Bevölkerungsgruppe, die überdurchschnittlich stark von der tödlichen Niederschlagung der aktuellen Proteste in Iran betroffen sind.

Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die schamlose Geschwindigkeit, mit der die iranischen Behörden Menschen wegen Drogendelikten hinrichten lassen, offenbart ihren Mangel an Menschlichkeit und ihre eklatante Missachtung des Rechts auf Leben. Diese Hinrichtungen verstoßen gegen das Völkerrecht. Sie werden gezielt als Instrument der Unterdrückung und Einschüchterung genutzt.

Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass die Bekämpfung des Drogenhandels weder direkt noch indirekt zu willkürlichen Exekutionen und anderen Menschenrechtsverletzungen in Iran beiträgt. Staaten und internationale Institutionen müssen die iranischen Behörden für diese willkürlichen Hinrichtungen auf das Schärfste verurteilen und ein offizielles Hinrichtungsmoratorium fordern. Ihre Vertreter*innen müssen Gefangene besuchen, die zum Tode verurteilt sind, und an Prozessen teilnehmen, bei denen Todesurteile verhängt werden könnten. Angesichts der Straflosigkeit für die Verantwortlichen willkürlicher Hinrichtungen müssen sie dringend nach sinnvollen Wegen zur Durchsetzung der Rechenschaftspflicht suchen."

Ausweitung der Hinrichtungswelle

In Iran haben die Hinrichtungen insgesamt – unabhängig von den vorgeworfenen Straftaten – in diesem Jahr deutlich zugenommen. 2023 wurden bisher bereits mindestens 282 Menschen hingerichtet – das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. 2022 hat Amnesty in den ersten fünf Monaten insgesamt 168 Hinrichtungen dokumentiert. Hinrichtungen nach unfairen Verfahren wegen Drogendelikten stiegen um fast das Dreifache an: Von Januar bis Ende Mai 2023 wurden 173 Menschen hingerichtet. 2022 lag die Zahl der Hinrichtungen im Vergleichszeitraum bei 67. Wenn die Behörden die Hinrichtungen in diesem Tempo fortsetzen, könnte die Zahl der getöteten Gefangenen bis zum Jahresende bei fast 1.000 liegen.




Die iranischen Behörden richten Gefangene auch aufgrund anderer Vorwürfe hin, die nach internationalem Recht in keinem Fall die Todesstrafe nach sich ziehen dürfen. So wurden 2023 bereits fünf Menschen im Zusammenhang mit Protesten hingerichtet, ein Mann wurde wegen "Ehebruchs" hingerichtet, weil er einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit einer verheirateten Frau hatte, und zwei Nutzer*innen Sozialer Medien wurden unter anderem wegen "Abfall vom Glauben" und "Beleidigung des Propheten des Islam" hingerichtet. Immer wieder werden auch Menschen hingerichtet, die bei ihrer Verhaftung minderjährig waren. Die Todesstrafe für Minderjährige ist nach internationalem Recht ohne jede Ausnahme verboten.

Duchrow sagt: "Die aktuelle Hinrichtungswelle ist vor allem auch ein deutlicher Einschüchterungsversuch der legitimen Protestbewegung in Iran. Die iranischen Behörden verweigern ihren Bürger*innen nicht nur das Menschenrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sondern systematisch auch das Recht auf Leben. Die Todesstrafe nimmt das Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen."

Tödlicher Krieg gegen Menschen in Armut

Vor allem schutzbedürftige und in Armut lebende Menschen sind von der Todesstrafe betroffen, da sie ihre Rechte oft nicht kennen und sich keinen unabhängigen Rechtsbeistand leisten können. Die Familien der Hingerichteten haben häufig mit den schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen des Verlusts der Ernährer*in und der hohen Verschuldung aufgrund der Gerichtskosten zu kämpfen.

Den Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten gehen häufig mangelhafte Ermittlungen der iranischen Antidrogenpolizei und anderer Sicherheitsorgane voraus. Prozesse wegen Drogendelikten werden vor Revolutionsgerichten geführt und sind systematisch unfair, da den Gefangenen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, einschließlich des Zugangs zu einem Rechtsbeistand, verweigert wird und durch Folter erpresste "Geständnisse" als Beweismittel für ihre Verurteilung verwendet werden.

Hintergrund Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. 2022 hat Iran nach China die meisten Hinrichtungen durchgeführt. Für weitere Informationen und Zahlen steht Ihnen der Amnesty-International-Todesstrafenbericht 2022 zur Verfügung.





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