Nicht zum ersten Mal behaupten hochrangige Funktionäre des Regimes, dass Jinn mit den Feinden des Iran kooperieren würde, um der Islamischen Republik zu schaden.
Von Alexander Gruber
Angesichts der vielfältigen Krisen, mit denen das iranische Regime konfrontiert ist, greifen die Führer und Funktionäre der Islamischen Republik noch massiver als ohnehin üblich auf abstruse Verschwörungsfantasien und bizarre Theorien zurück, um die gegenwärtige Lage zu erklären.
So zitierte die den Revolutionsgarden nahestehende Nachrichtenagentur Fars unlängst einen »Sozialexperten« mit den Worten, die Islamische Republik befinde sich »derzeit in einem kriegsähnlichen Zustand« gegen unverschleierte Frauen. Das war nicht etwa als Kritik an der verschärften Repression durch die Sicherheitskräfte gemeint, der Staat solle vielmehr noch härter gegen Freizügigkeit und »Unmoral« verbreitende Frauen vorgehen, als er es bisher schon tat.
Mohammed Reza Mahdavi-Kani, Mitglied des einflussreichen Expertenrates, sieht den Protest der iranischen Frauen gegen den Verhüllungszwang als ausländische Verschwörung. »Der Hidschab«, sagte er, sei »unsere Flagge, die der Feind herunternehmen will«. Und ein hochrangiger Revolutionsgardist bezeichnete kürzlich »den Satan als Lehrmeister der Zionisten«, deren »jahrtausendealtes Geschäft« Spionage, Terror und Sabotage sei und deren »Regime« vernichtet werden müsse, um »Licht in die Herzen der Menschen« zu bringen.
Sogar vor offenem Geisterglauben machen Vertreter des Teheraner Regimes nicht Halt. So wurde jüngst die Rede eines Mitarbeiters des Geheimdienstministeriums bekannt, die zeigt, wie sehr die anhaltenden Proteste das Regime in Panik versetzen. Die Tonaufnahme voller bizarrer Äußerungen soll aus einer Sitzung über die seit September andauernden Demonstrationen stammen. In Anlehnung an die übliche Regimepropaganda machte der Redner das Ausland für die Proteste verantwortlich. Eine ausgewählte Gruppe von Demonstranten sei auf US-Basen in der Region ausgebildet worden, um Unruhen zu schüren.
»Unter diesen speziellen Leuten wählten sie noch speziellere aus und brachten sie zu den amerikanischen Stützpunkten in Jordanien, der Türkei und Erbil und bildeten sie [in urbaner Kriegsführung] aus«, erklärte der Beamte des Geheimdienstministeriums. Die Trainingsgruppen seien »gemischtgeschlechtlich« gewesen »und mit sexuellen Verführungen, Drogen und Alkohol versorgt« worden.
Unterstützung durch Jinn
Und nicht nur das, auch Wesen aus der Geisterwelt würden bei den Protesten gegen die Islamische Republik eine Rolle spielen. Dschinn, unsichtbare Geister, drängen »in den Körper von Ungläubigen ein und nehmen von ihnen Besitz«, doch islamische Experten hätten herausgefunden, dass das Rezitieren des Korans und der islamische Aufruf zum öffentlichen Gebet die bösen Geister verscheuchen könne. Zuvor müssten allerdings »die Satellitenschüsseln von den Häusern entfernt werden, weil Haushalte mit Satelliten von bösen Dschinn besucht werden«.
Man mag solch bizarre »Analysen« als unbedeutende Spinnereien abtun, doch wäre das weit gefehlt. Denn niemand Geringerer als der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei behauptete im April 2020, die USA hätten das Coronavirus geschaffen und weltweit verbreitet, wobei ihnen von Dschinn geholfen würde, die mit den Feinden des Irans zusammenarbeiteten. Zur Unterstützung seiner Aussagen veröffentlichte die Cyberabteilung der Revolutionsgarden damals Videoclips hochrangiger Gelehrter religiöser Seminare, die dem geneigten Publikum davon berichteten, wie israelische und amerikanische Spionageagenturen Dschinn einsetzten, um nachrichtendienstliche Operationen gegen den Iran und die Verbündeten seiner »Achse des Widerstands« durchzuführen.
Spinnereien? Zweifelsohne, aber sie stammen nicht vom Narrensaum der Islamischen Republik, sondern aus deren höchster Führungsriege.
Dies ist ein Auszug aus dem Newsletter von mena-watch vom 26. April. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an.
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von mena-watch
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