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„Mit der Islamischen Republik wird es nie Reformen geben, die zu einer Gleichberechtigung führen“

Wie beobachten IranerInnen, Exil-IranerInnen oder im Westen lebende Menschen mit iranischen Wurzeln die Proteste in Iran? Mit einem Fragebogen holen wir Stimmen ein. Diesmal: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.


Die Proteste in Iran halten seit Wochen an. Mit welchen Gefühlen oder Gedanken beobachten Sie diese aktuell?


Trauer, Wut gegenüber dem iranischen Regime und natürlich sehr viel Solidarität mit der mutigen Zivilgesellschaft. Ich hoffe, dass die Protestierenden durchhalten. Sollten sie erfolgreich sein, hätte das weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten. Und natürlich interessiert mich das Geschehen im Iran auch aus persönlichen Gründen. Ich habe die ersten elf Jahre meines Lebens in dem Land verbracht.

Haben Sie direkte Kontakte zur Bevölkerung in Iran? Falls ja: Was hören oder lesen Sie dort?

Ja, aber sie kommunizieren nur zurückhaltend. Die Lage ist sehr ernst.


Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein? In welcher Phase sind die Proteste?

Die Menschen im Iran haben lange Zeit geglaubt, dass sich ihre Lebensverhältnisse durch Reformen verbessern könnten. Sie wurden enttäuscht. Jetzt findet ein revolutionärer Prozess statt. Was mir Mut macht, ist die Tatsache, dass sich mittlerweile die unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen den Protesten angeschlossen haben. Die Protagonisten sind junge Männer und vor allem junge Frauen, die keine Reformen fordern, sondern die Abschaffung der Islamischen Republik. Die Qualität der Proteste ist damit eine andere als zuvor.


Anders als viele andere große Proteste und Revolutionen geht diese auf den Aufstand von Frauen zurück. Was macht die feministische Revolution so besonders?

Die Frauen im Iran sind hochgebildet. Für mich war immer klar, dass sich die Frauen irgendwann nicht mehr unterdrücken lassen würden. Es ist kein Zufall, dass es jetzt gerade die Frauen sind, die tiefgreifende Veränderungen, das Ende der Unterdrückung und den Sturz des Regimes fordern. Mit der Islamischen Republik wird es niemals Reformen geben, die zu einer Gleichberechtigung der Geschlechter führen. Das haben mittlerweile alle verstanden. Damit sind die Frauen quasi die natürlichen Feinde des Regimes.


Hierzulande – in Deutschland als auch anderen westlichen Ländern – wird das Thema in den Medien überlagert von anderen Themen wie dem Ukraine-Krieg. Was muss sich tun, um dies zu ändern?

Es ist wichtig, dass kritische Journalistinnen und Journalisten, aber auch Entscheidungsträger, die wie ich einen Bezug zu dem Land haben, immer wieder ihre Stimme zur Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft erheben. Warme Worte und Solidaritätsbekundungen mit den Protestierenden reichen aber nicht aus.


Was ist Ihre Prognose: In welche Richtung wird sich Iran bzw wird sich der Aufstand in den kommenden Monaten entwickeln?

Das ist schwer zu sagen, denn wie wir wissen, schreckt das Regime nicht vor Gewaltanwendung bis hin zu schwersten Menschenrechtsverletzungen zurück. Dieser revolutionäre Prozess, den wir dieser Tage auf den Straßen des Iran sehen, wird vermutlich lange dauern, er kann sich über Jahre ziehen.



Bijan Djir-Sarai wurde 1976 in Teheran geboren, absolvierte sein Abitur in Grevenbroich und studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit April 2022 ist er Generalsekretär der FDP.



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