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Gasknappheit trotz zweitgrößter Gasreserven weltweit

Im Iran ist Gas knapp. Behörden und Schulen werden abwechselnd geschlossen. Dabei besitzt das Land die zweitgrößten Gasreserven der Welt und träumt vom Export nach Europa.


Anfang September 2022 warnte der iranische Ölminister Javad Owji vor einem kalten Winter, Gas könnte knapp werden. Diese Warnung richtete er allerdings nicht an die iranische Bevölkerung, sondern an die Europäer. "Ihr werdet schlecht regiert", sagte der Minister in einem Fernsehgespräch. Anlass war die Sorge europäischer Lander, dass Industrie und Haushalte wegen der reduzierten Lieferungen aus Russland unter massiver Gasknappheit leiden würden.


Der Iran bot sich damals Alternative für den Bezug von Erdgas an und sah seine Position bei den Atomgesprächen gestärkt: "Wir haben die zweitgrößten Gasreserven weltweit und können Europa versorgen", erklärte Außenamtssprecher Nasser Kanaani Anfang September. Zuvor müssten aber alle wirtschaftlichen US-Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden. Auf die Forderungen der Verhandlungspartner nach einer engeren Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde wollte der Iran allerdings nicht eingehen. Teherans Plan ging nicht auf, denn inzwischen hat sich die Energiekrise in Europa entspannt. In Deutschland, das in der Vergangenheit besonders stark von russischem Gas abhängig war, "ist die Gasversorgung stabil", teilt die zuständige Behörde mit. Obendrein kehrte drei Monate später ein altbekanntes Problem im Iran zurück: Gasknappheit im eigenen Land, und zwar wegen maroder Infrastruktur.


"Auch zu Hause wärmer anziehen"


Der Iran hat bei der Gas-Förderung technische Probleme, bestätigt das Ölministerium. Der Ölminister mahnte die Bevölkerung Anfang dieser Woche: "Zieht euch zu Hause wärmer an und reduziert den Verbrauch: Wer zu viel Gas verbraucht, muss damit rechnen, dass die Versorgung eingestellt wird", drohte er im Gespräch mit der amtlichen Nachrichtenagentur Shana. "Keiner kann sagen: 'Ich bezahle, was ich verbrauche.'"

Bereits am Donnerstag hatten Behörden in einer Provinz im Nordosten alle Ämter bis Sonntag geschlossen, um Strom und Gas zu sparen.


"Unverschämt!" kommentiert eine junge Mutter aus Teheran im Gespräch mit der DW diese Ansage der Regierung. "In den letzten drei, vier Jahren erleben wir bei jedem Kälteeinbruch dasselbe Theater. Jeder Schneefall legt das Land lahm, Behörden und Schulen werden geschlossen, um Energie zu sparen." So auch in diesem Winter: Seit Mitte Dezember werden in verschiedenen Provinzen des Landes mit 84 Millionen Einwohnern Behörden und Schulen wochenweise geschlossen, um Gas zu sparen. Sich zu Hause wärmer anzuziehen ist jedoch für die 37-jährige Mutter ungewohnt, wie für viele andere Iraner auch. Sie sind an warme Wohnung gewöhnt, geheizt mit billigem Gas. Der Iran verfügt über riesige Energievorräte, nutzt sie aber extrem ineffizient.

"Der Iran leidet unter einem Überkonsum von Erdgas und anderen Energieträgern infolge extrem schlechter Energieeffizienz", bestätigt David Jalilvand auf Nachfrage der DW. Jalilivand leitet das Beratungsunternehmen "Orient Matters" in Berlin. Er fügt hinzu: "Die Subventionen, mit denen die wirtschaftliche Not der Bevölkerung gelindert und die Wirtschaft stimuliert werden soll, sind hierbei ein wichtiger Faktor. Mehrere Versuche, Subventionen zu kürzen, scheiterten aufgrund der prekären Lage vieler iranischer Haushalte."


Großer Verbrauch der Industrie


Abgesehen von dem hohen Energieverbrauch in den Haushalten kämpft der Iran mit einem hohen Energieverbrauch in fast allen Industriezweigen, insbesondere in der Eisen-, Stahl- und Zementindustrie. Laut Statistiken der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe steht der Iran auf der Liste der Länder mit dem höchsten Gasverbrauch der Erde auf dem vierten Platz im Jahr 2020. Nur die USA, Russland und China verbrauchen mehr Erdgas als der Iran.


"In den letzten zwei Jahrzehnten konnte Iran seine Erdgasförderung erheblich ausweiten", erklärt Jalilvand. "Dennoch bleibt die Produktion mit Blick auf die Größe der iranischen Reserven unterentwickelt. Eine Rolle hierbei spielt auch der fehlende Zugang zu Schlüsseltechnologien aufgrund der US-Sanktionen. Auf absehbare Zeit wird Iran keine nennenswerten Kapazitäten für eine Erhöhung seiner Gas-Exporte haben."


Konkurrenz oder Kooperation mit Russland?


Auch als Antwort auf US-Sanktionen wollen Teheran und Moskau enger zusammenarbeiten. Im Juli 2022 unterzeichnete der russische Energiekonzern Gazprom mit dem iranischen Ölunternehmen NIOC einen Kooperationsvertrag im Umfang von 40 Milliarden US-Dollar. Gazprom soll NIOC bei der Erschließung von zwei Gas- und sechs Ölfeldern unterstützen. Der Experte Jalilvand betrachtet dieses Abkommen sehr skeptisch: "Schließlich hat Moskau kein Interesse daran, einen mächtigen Rivalen auf den globalen Märkten aufzubauen, erst recht, da Russlands Absatzmärkte aufgrund der Sanktionen erheblich kleiner geworden sind."


Russland bietet Öl und Gas mit deutlichen Preisnachlässen Ländern wie China, Indien und der Türkei an, also traditionellen Kunden Irans. Die Türkei etwa, die bis jetzt Gas aus dem Iran importierte, verhandelt über einen Rabatt in Höhe von 25 Prozent für Gas aus Russland. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete im Dezember, dass die türkische Regierung auch für bereits bezahlte Gasimporte aus diesem Herbst einen nachträglichen Rabatt herausschlagen will.


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle, Original-Artikel

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