Das Center for Human Rights in Iran (CHRI) hat Interviews mit Personen geführt, die den Fall Toomaj Salehi genau kennen und anonym bleiben wollen. Zentrale Passagen aus den Gesprächen:
Über Toomajs Protest: „Toomaj war schon lange vor Beginn der Proteste von [Sicherheits-]Agenten bedroht und verfolgt worden. Toomaj hat immer seinen Protest geäußert und ist nie von seinem Standpunkt abgerückt. Aber er sprach nicht gerne offen über die Drohungen und den Druck der Sicherheitskräfte, weil er glaubte, dass dies vielen Menschen Angst machen könnte.“
Über ein Leben auf der Flucht: „Mit der Veröffentlichung von Toomajs erstem Video nach Beginn der Proteste [im Iran im September 2022] begannen die Drohungen. Er nahm an den Straßenprotesten teil, und es war möglich, dass er identifiziert werden würde. Da er gleichzeitig bedroht und verfolgt wurde, war er ständig unterwegs. Jeden Tag warteten wir auf die Verhaftung von Toomaj. Er wechselte ständig seinen Aufenthaltsort und floh. Ich kann sagen, dass er sieben oder acht Mal seinen Aufenthaltsort wechselte, um nicht gefasst zu werden.“
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Die Verhaftung: „Später erfuhr ich, dass zur gleichen Zeit 70 bewaffnete Agenten das Haus umstellten, in dem Toomaj und seine Freunde in dem Dorf Gerd Bisheh in der Provinz Chaharmahal und Bakhtiari wohnten. Sie stürmten das Haus und verhafteten alle, auch den Hausmeister. Der Hausmeister wurde jedoch einige Tage später wieder freigelassen.“
Die Tage danach: „Nach der Verhaftung wurden Toomaj und seine Freunde in das Haftzentrum in Boroujen gebracht, wo sie schweren körperlichen Misshandlungen ausgesetzt waren. Am nächsten Morgen trennten sie Toomaj von seinen beiden Freunden und brachten ihn an einen anderen Ort, wahrscheinlich in ein sicheres Haus. In jenen Tagen veröffentlichten die staatlichen Medien auch ein Video von Toomaj, das ihn zum Zeitpunkt seiner Verhaftung auf dem Boden zeigt, mit sichtbaren Verletzungen und Blut im Gesicht aufgrund körperlicher Misshandlungen.“
Die Haftbedingungen: „Er wird in Isolationshaft in der Abteilung 1-T gehalten, die vom Geheimdienst des Korps der Islamischen Revolutionsgarden im Dastgerd-Gefängnis in Isfahan kontrolliert wird.“
Die Folter: „Toomaj wurde in den ersten Tagen nach seiner Verhaftung schwer gefoltert. Sein linkes Auge wurde durch die Schläge auf seinen Kopf schwer beschädigt. Der Zustand seines verletzten Auges ist unklar. Während dieser Zeit wurde er nicht angemessen medizinisch versorgt. Toomajs rechter Knöchel wurde infolge von Folter und körperlicher Misshandlung ebenfalls gebrochen und muss möglicherweise operiert werden.“
„Leider wurde Toomaj in dieser Zeit so gefoltert, dass er entweder ins Koma fiel oder bewusstlos war, so dass die Beamten ihn zu gegebener Zeit ins Gefängnis verlegten. Toomajs Gesundheitszustand war so schlecht und kritisch, dass die Gefängnisbeamten sich weigerten, ihn aufzunehmen, weil sie nicht wussten, was mit ihm geschehen würde. Schließlich wurde er doch in dieses Gefängnis verlegt.“
Irreführung: Die Familie von Toomaj verbrachte etwa einen Monat ab dem Zeitpunkt der Verhaftung ihres Sohnes, bis sie sicher war, dass er sich im Dastgerd-Gefängnis befand. In dieser Zeit besuchte Toomajs Vater jeden Tag die Justizbehörden, um sich über seinen Aufenthaltsort zu informieren. In den ersten Wochen führten die Behörden ihn in die Irre, indem sie ihm falsche Adressen gaben. Erst etwa einen Monat später bestätigten die Gefängnisbeamten schließlich, dass Toomaj im Dastgerd-Gefängnis festgehalten wurde. 38 Tage nach seiner Verhaftung konnte Toomajs Vater ihn zum ersten Mal treffen.
Die Anschuldigungen: „Die Anschuldigungen, die der Staatsanwalt in Isfahan gegen Toomaj erhob, waren sehr schwerwiegend, zumal Demonstranten wegen solcher Anschuldigungen hingerichtet worden waren und Toomaj laut Anwälten die Todesstrafe drohen könnte. Die Anklage lautet auf "Korruption auf Erden", "Propaganda gegen den Staat", "Bildung und Leitung illegaler Gruppen mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu untergraben", "Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen" und "Verbreitung von Lügen und Anstiftung zur Gewalt über den Cyberspace und Ermutigung von Einzelpersonen zu Gewalttaten". Der Gerichtstermin wurde noch nicht festgelegt, und wir befinden uns immer noch in einem Zustand der Ungewissheit.“
Rechtsbeistand: „In den ersten Wochen seiner Inhaftierung hatte Toomaj praktisch keinen Zugang zu einem Anwalt, und alle von ihm ausgewählten Anwälte wurden von den Justizbehörden abgelehnt.“ Erst nach dem 28. Dezember hatte Toomaj zwei kurze Treffen mit seinen Anwälten Amir Raeesian und Raza Etemadi und am 15. Februar ein langes Treffen.
Familienbesuche: „Derzeit trifft sich Toomaj einmal pro Woche mit seiner Familie. Während dieser Zeit musste Toomajs Familie viele Einschränkungen hinnehmen, wenn es darum ging, ihm bestimmte Dinge zu bringen. So gelang es ihnen beispielsweise nach vielen Nachforschungen Anfang Januar endlich, ihm einige Bücher zu bringen. Sie [die Gefängnisbehörden] hatten der Familie jedoch eine Liste von Büchern gegeben und gesagt, dass sie nur aus dieser Liste auswählen dürften, die nicht viele Autoren und Themen enthielt. Trotz all dieser Einschränkungen und weil Toomaj jemand ist, der jeden Tag Bücher liest, gelang es seiner Familie, einige Bücher für ihn zu besorgen.“
Körperlicher und psychischer Zustand Toomajs: „Seinem Vater zufolge war Toomaj bei seinem letzten Besuch bei ihm sehr stark und lebhaft. Toomajs Persönlichkeit ist im Wesentlichen dieselbe geblieben, und er war für mich und andere Freunde immer ein Symbol für Stärke und Unverwüstlichkeit. Die größte Sorge der Familie gilt derzeit seiner Gesundheit, insbesondere den schweren Verletzungen, die er infolge der Folter erlitten hat. Obwohl Toomaj einen sehr starken und bewundernswerten Geist hat, müssen wir ernsthaft in Betracht ziehen, dass mehr als 150 Tage Isolation zusammen mit schlechten physischen Bedingungen und schwerer Folter den Geist von Toomaj zutiefst beeinträchtigt haben.“
Wie KünstlerInnen kommunizieren sollten: „Toomaj sprach immer offen und mutig und fragte immer, warum ein Künstler in einer verworrenen Weise sprechen sollte [wie es einige im Iran tun]. Er sagte, wir müssen unsere Meinung klar und deutlich sagen, vor allem im Rap-Genre. Laut Toomaj ist die Zeit der verworrenen Reden vorbei.“
Toomanjs Selbstverständnis: „Toomaj sagte immer, er sei ein Verteidiger der Unterdrückten und derjenigen, die in unserer Gesellschaft diskriminiert werden, in seinen eigenen Worten "die Stimme der Stimmlosen". Er hat immer gesagt, dass er ein Verteidiger der Kinderarbeiter ist. Meiner Meinung nach sind das die Punkte, die Toomaj zur Stimme des Iran machen. Oder wie er in seiner Musik sagt: "Ich bin der Sohn des Iran".“
Internationale Gemeinschaft: „Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Toomaj ohne die Medienberichterstattung und den internationalen Druck in den ersten Tagen und Wochen heute vielleicht nicht mehr am Leben wäre. Wir wissen, dass den inhaftierten Personen, wenn sie anonym bleiben oder niemand für sie spricht, jedes Unglück widerfahren kann. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir immer ihre Stimme sind.“
Was jetzt hilft: „Ich denke, das Wichtigste, was Toomaj derzeit helfen kann, ist ein allgemeiner Konsens in der internationalen Gemeinschaft, um auf die Regierung der Islamischen Republik breiten, allumfassenden, konzentrierten und gezielten Druck auszuüben, damit sie ihn freilässt. Dieser breite und einheitliche internationale Druck wird sicherlich einen erheblichen Einfluss auf den Fall haben. Bislang wurde zwar schon viel getan, aber nur vereinzelt und nicht gezielt.“
Die Forderungen: Unsere wichtigste Forderung ist die bedingungslose Freilassung von Toomaj (...) Unsere zweite Bitte ist, eine medizinische Behandlung zu ermöglichen. Unsere dritte Forderung ist die Entsendung einer Untersuchungskommission, die das juristische und gerichtliche Verfahren gegen ihn untersucht.“
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