Seit sieben Monaten demonstrieren im Iran viele Menschen für ihre Freiheit. Die Rolle des Sports in diesem Kampf ist ein sensibles Thema. Von Farid Ashrafian
Viele iranische Sportlerinnen und Sportler haben sich den Protesten gegen die Führung des Landes angeschlossen und riskieren dabei Leib und Leben. Aber wie soll sich der Sport generell zu dem Freiheitskampf im Iran positionieren? Bei einem zu Wochenbeginn vom Deutschen Fußball-Bund und dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund in Zusammenarbeit mit Amnesty Internationalveranstalteten Themenabend bezog Ali Karimi, eine der zentralen Figuren der Opposition gegen den Machtapparat der Mullahs, mit einer Videobotschaft klar Stellung. "Sportler sollten stets auf der richtigen Seite der Geschichte stehen", forderte der ehemalige Fußballprofi des FC Bayern München: "Sie müssen ihre gesellschaftlich wichtige Rolle entsprechend wahrnehmen und die Stimme ihres Volkes sein."
Der 44-Jährige lebt inzwischen im Exil in den USA. Laut Karimi konfiszierte das iranische Regime sein Vermögen, er erhalte ständig Morddrohungen. Der Preis, den man für seine Solidarität mit dem Freiheitskampf zahle, so Karimi, sei zwar immens hoch, aber zu rechtfertigen. Es gehe schließlich um den Erfolg des Widerstands.
Ehemann verhinderte Ausreise
Bei der Veranstaltung in Dortmund wurde auch der Kampf der ehemaligen iranischen Fußball- und Futsal-Nationalspielerin Niloufar Ardalan gegen die Unterdrückung der Frauen im Land vorgestellt. Gezeigt wurden Ausschnitte aus dem Film "Zeit zum Atemholen", der von Ardalans Leben erzählt. Ihre Biografie ist sinnbildlich für den Kampf der iranischen Frauen für Freiheit.
Die heute 38-jährige Sportlerin stand im September 2015 als Kapitänin des iranischen Futsal-Teams unmittelbar vor der Teilnahme an der Asien-Meisterschaft. Ardelans Ehemann bestand jedoch darauf, dass sie bei der Einschulung des jüngsten Sohns dabei sein sollte und verhinderte damit ihre Ausreise. Nach den in der Islamischen Republik geltenden Vorschriften benötigen verheiratete Frauen die ausdrückliche Erlaubnis des Ehegatten, um das Land verlassen zu können. Besonders pikant: Ardalans Ehemann ist Mehdi Toutounchi, ein bekannter iranischer TV-Sportmoderator und nach eigenem Bekunden ein Befürworter des Frauenfußballs.
Ardalan betreibt heute eine Fußballschule für Mädchen in Iran. "In unserer Gesellschaft ist das Leben von Frauen mit krassen Barrieren verbunden", sagte die per Video zugeschaltete frühere Spielerin. "Ich bin froh, dass ich Vorbild des Widerstands für die Mütter und Frauen meines Landes sein kann."
Nein zum absichtlichen Verlieren
Auch der ehemalige iranische Judoka Vahid Sarlak berichtete bei dem Themenabend von seinen traumatisierenden Erlebnissen. Wegen der politischen Vorgabe der Machthaber habe er bei der WM 2005 seinen Traum von einer Medaille begraben müssen, so Sarlak. Auf Geheiß des Mullah-Regimes habe er absichtlich verlieren müssen. Der Grund: In der nächsten Runde hätte er andernfalls gegen einen israelischen Judoka gekämpft. Das ist jedoch mit den Statuten der Mullahs unvereinbar.
Vier Jahre später ignorierte Sarlak die Weisungen der sportlichen Leitung. Er trat im Turnier gegen einen Israeli an und gewann den Kampf - mit einschneidenden Folgen für sein Leben: Sarlak konnte nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. Seitdem lebt der heute 42-Jährige in Deutschland. "Ich habe meine Familie im Iran seit 15 Jahren nicht gesehen", sagt Sarlak. "Sie bekamen durch mich viele Probleme. Meine Schwester und mein Bruder durften nicht arbeiten. Sie mussten wegen meiner Geschichte wie in einem Gefängnis leben."
Im Jahr 2021 war Sarlak als Zeuge beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) geladen. Seine Aussage trug maßgeblich dazu bei, dass der CAS die mehrjährige, aktuell noch geltende Sperre gegen den iranischen Judoverband bestätigte.
Sperren ganzer Verbände oder Sanktionen gegen Funktionäre?
Doch unterstützt der Ausschluss nationaler Sportverbände die Freiheitsbewegung in Iran? An dieser Frage scheiden sich die Geister der iranischen Sport-Community.
Während Vahid Sarlak gegenüber der DW die Sperren befürwortete, forderte Ex-Fußballer Ali Karimi einen anderen Weg: "Das IOC und die internationalen Sportverbände müssen zwingend jegliche Aktivität der Sport-Funktionäre der Islamischen Republik sanktionieren. Ich kenne keinen Sportverband in Iran, der frei organisiert ist." Sport-Funktionäre in Iran sind größtenteils Mitglieder der Revolutionsgarden und gelten als der verlängerte Arm der Mullahs.
Ähnlich wie Karimi sieht auch Fußball-Spielerberater Reza Fazeli die Sperren kritisch. "Bei einem Ausschluss von Verbänden sind Sportler die Leidtragenden. Sie dürfen ihren Traum nicht ausleben", sagte Fazeli. "Sanktionen müssen gegen Funktionäre verhängt werden, weil sie Söldner des Regimes sind." Die Erfolgsaussichten des Widerstands in Iran bewertete der Spielerberater als vielversprechend: "Es ist eine Bewegung der Liebe, eine Bewegung der Zivilisation gegen die Barbarei. Und am Ende gewinnt die Liebe."
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle
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