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Der Frust der Iraner nach den Angriffen Israels




Die Unzufriedenheit der Bevölkerung im Iran wächst. Grund dafür ist die desolate wirtschaftliche Lage im Land. Viele Menschen sehen deshalb auch die finanzielle Unterstützung von Hisbollah und Hamas zunehmend kritisch. Von Amir Soltanzadeh


Nach den israelischen Luftangriffen auf iranische Ziele am frühen Samstagmorgen haben viele Menschen im Iran ihren Frust in den sozialen Medien herausgelassen. Gleichzeitig versuchten sie, die Lage besser zu verstehen.

Israel hatte in der Morgendämmerung Luftangriffe auf militärische Ziele im Iran geflogen - als Vergeltung für den iranischen Beschuss Israels Anfang des Monats.

Der Iran leidet unter gravierenden wirtschaftlichen Problemen. Nach Berichten der Nachrichtenplattform IranWire, die von iranischen Journalisten im Exil betrieben wird, ist die iranische Landeswährung, der Rial, angesichts der Spannungen mit Israel in den Keller gerauscht.


Die Furcht vor einem regionalen Krieg habe zu einem noch nie dagewesenen Tiefststand gegenüber dem Dollar geführt. Zudem ist die Inflationsrate nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr um 33 Prozent in die Höhe geschnellt. Es wird erwartet, dass die Preise weiter drastisch ansteigen werden.

Nah Angaben des iranischen Parlaments steigt die Armutsrate im Land seit fünf Jahren kontinuierlich an. Mittlerweile könne ein Drittel der Bevölkerung ihre Grundbedürfnisse nicht mehr mit ihrem Einkommen abdecken.


Wut auf Hisbollah und Hamas


In der Zwischenzeit versuchten die Anleger, ihre Vermögenswerte an der Teheraner Börse zu liquidieren, was zu einem Stillstand bei größeren Transaktionen geführt habe, da viele den Ausgang dieser Konflikte abwarten.

Viele Iraner bringen den wirtschaftlichen Zusammenbruch ihres Landes zunehmend mit der finanziellen Unterstützung von Hisbollah und Hamas durch die Regierung in Verbindung.

Die libanesische Hisbollah-Miliz ist mit dem Iran verbunden. Sie und die im Gazastreifen herrschende Hamas werden von Deutschland, den USA und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Nach Berichten des iranischen Nachrichtensender Iran Internationalmit Sitz in London werfen viele Menschen im Iran der Regierung vor, sich mehr auf ausländische Konflikte zu konzentrieren als sich um die dringenden Probleme im eigenen Land zu kümmern.

Diese Diskrepanz zwischen den offiziellen Darstellungen und der Stimmung auf der Straße könnte weitreichende Auswirkungen auf die innere Stabilität des Irans haben, vor allem wenn die Spannungen an der militärischen Front weiter eskalieren.


Zensur ist allgegenwärtig


Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist der Iran "eines der repressivsten Länder der Welt hinsichtlich der Pressefreiheit". Die strenge Zensur zeigte sich unmittelbar nach den israelischen Angriffen, denn von den iranischen Staatsmedien war zunächst nichts zu lesen oder hören.


Ein in Teheran ansässiger Journalist, dessen Namen die DW aus Sicherheitsgründen nicht nennt, sagte der DW am Samstag, dass "nichts geschrieben werden kann. Die Medien wagen es nicht, etwas anderes zu schreiben als den offiziellen Standpunkt." Der Presse sei verboten worden, auf ihren persönlichen Social-Media-Seiten zu posten.


Umgang mit staatlichen Medien


Der iranische Medienexperte Babak Dorbeiki kritisiert die Beschränkungen für unabhängige Medien nach dem israelischen Angriff. Dorbeiki war während der Regierung von Staatspräsident Hassan Ruhani (2013-2021) ehemaliger Berater und Leiter des Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit und Information des Kulturministeriums.

"Der Umgang der staatlichen Medien mit Nachrichten in Krisenzeiten zeigt die Schwächen auf, die von Verwirrung und mangelnder Koordination gekennzeichnet sind", sagte er der DW aus London, wo er sich derzeit aufhält.

Ganz anders in den sozialen Medien des Landes, wo die Menschen VPNs (Virtuelle, nichtöffentliche Netzwerke) nutzen, um die Online-Beschränkungen zu umgehen.

In den sozialen Medien äußerten User ihre Wut über die Regierung und fragten, warum sie nicht über die Angriffe informiert wurden, um Schutz zu suchen. Sie zeigten sich auch besorgt über den Mangel an Unterkünften, da das Land möglicherweise auf einen Krieg zusteuere.

Einige schrieben den eskalierenden militärischen Konflikt mit Israel dem rücksichtslosen Vorgehen des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei und der Revolutionsgarden zu.

Antisemitische Propaganda 

Laut einer Analyse der unabhängigen Nachrichtenplattform IranWireerreichten "antisemitische Hassreden auf persischen sozialen Kanälen und Websites im September ein Gesamtvolumen von etwa 61.000 Beiträgen". Die Plattform wird von iranischen Journalisten, die im Exil leben, betrieben.


Das sei ein Anstieg von 98 Prozent im Vergleich zum August, ermittelte IranWire. "Führend bei der Verbreitung dieses antisemitischen Materials" seien die offiziellen und halboffiziellen Kanäle gewesen.

Diese Bemühungen der Regierung, die Stimmung gegen Israel und die allgemeine antisemitische Stimmung zu schüren, haben jedoch nicht dazu geführt, dass es im Iran zu Anti-Israel-Protesten gekommen ist - im Gegensatz zu anderen arabischen Ländern.

In Ägypten, Jordanien, Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und im Irak gingen Tausende auf die Straße, um gegen Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen zu demonstrieren. Der Krieg ist eine Reaktion auf das von der Hamas verübte Massaker in Israel am 7. Oktober 2023, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 200 Menschen als Geiseln entführt wurden. 


"Das iranische Volk hat keinen Wunsch, einen Krieg mit Israel zu erleben ... [und] hegt nur sehr wenig Feindseligkeit gegenüber Israel", schrieb der Historiker Arash Azizi, ein Gastwissenschaftler an der New York University, der zum Iran forscht, in der Zeitschrift The Atlantic.


Auch die Reaktionen in den sozialen Medien nach dem Angriff vom Samstag deuten darauf hin, dass viele Iraner keinen Konflikt mit Israel wollen, da sie den Ausbruch eines regionalen Krieges befürchten.

Regimekritiker rechnen damit, dass ein Krieg gegen Israel die Unterdrückung der Bevölkerung im Iran weiter verschlechtern könnte. "Die Realität ist, dass ein Krieg zu verstärkter Repression und Druck auf Andersdenkende führt, was nicht zur Demokratie im Iran beiträgt", sagte Nazila Golestan, eine in Paris ansässige Oppositionelle der iranischen Regierung, gegenüber DW.


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle

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