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Wirtschaftsentwicklungsplan: Lügen, die Gott liebt

Der schiitische Glaube an gottgefällige Lügen zeigt sich erneut im neuen 7. Wirtschaftsentwicklungsplan des Iran, der von falschen Zahlen ausgeht und unrealistische Ziele anstrebt. Er soll sozialen Frieden schaffen.




Grafik: Hiva Rash

Lügen zählt im Islam zu den Todsünden; einige Religionsgelehrte betrachten es als „schlimmer als das Trinken von Alkohol“. Ist eine Lüge jedoch im Interesse des Islam, ist sie keine Sünde, sondern „wird von Gott belohnt“. Im Buch „Wasail al-Schia“, einer umfangreichen Überlieferungssammlung des schiitischen Theologen Scheich Al-Hurr al-Aamili, das zu den wichtigsten Quellen der Schiiten gehört, wird Prophet Mohammed mit den Worten zitiert: „In der Tat liebt Gott eine zu guten Zwecken dienende Lüge und hasst eine Wahrheit, die Schlimmes mit sich bringt.“


Vielleicht ist dies der Grund, warum die iranischen Machthaber sich keine Gelegenheit entgehen lassen, um über die angeblichen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte des islamistischen Regimes des Landes wahrheitswidriges Lob auszusprechen.


Eines der jüngsten Beispiele solcher Lügen stellen die Behauptungen des iranischen Ministers für Arbeit und Soziales, Soulat Mortazavi, dar. Am 20. August sagte er im Staatsfernsehen, dass die Erfolge der iranischen Regierung im Bereich Wirtschaft und Beschäftigung bemerkenswert seien und die absolute Armut größtenteils beseitigt worden sei.


Wahrheit oder Lüge?


Die Behauptungen des Ministers widersprechen den Aussagen hochrangiger Politiker*innen und Parlamentsmitglieder aus den vergangenen Monaten – etwa von Ali Aghamohammadi. Der konservative Politiker und Mitglied des sogenannten staatlichen Schlichtungsrats hatte im Mai angemerkt, dass fast 20 Millionen Iraner*innen nicht in der Lage seien, ihre Grundbedürfnisse wie Wohnraum, Arbeit, Schulbildung, Gesundheit, Nahrung und Kleidung zu befriedigen. Das ist rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung des Landes.


Durch die verbreitete Armut können viele Iraner*innen sich kein Fleisch mehr leisten!


Im Juni hatte bereits Mohammad Bagheri Banai, Mitglied der Wirtschaftskommission des iranischen Parlaments, erklärt, dass die aktuelle Armutsgrenze in der Hauptstadt Teheran aufgrund der grassierenden Inflation 30 Millionen Toman im Monat betrüge. Das sind etwas mehr als 560 Euro im Monat, während sich das monatliche Einkommen einer dreiköpfigen Arbeiterfamilie im Iran auf circa 150 Euro beläuft.


Laut Bagheri Banaei ist die iranische Mittelschicht aufgrund der explosiven Waren- und Mietpreise praktisch an den Stadtrand von Teheran beziehungsweise in benachbarte Städte gedrängt worden. Er warnte gleichzeitig vor möglichen sozialen und politischen Folgen.


Der Generaldirektor für soziale Wohlfahrt im Arbeitsministerium, Hadi Mousavi, stellte im Juli fest, dass 57 Prozent der iranischen Bevölkerung unterernährt seien.


Auch der Parlamentarier Mohsen Pirhadi ließ Ende Juli die Alarmglocken schrillen. 28 Millionen Iraner*innen lebten derzeit unter der Armutsgrenze, so Pirhadi. Der wirtschaftliche Absturz von Teilen der Gesellschaft habe im vergangenen Jahrzehnt zu Slumbildungen, Zunahme von Drogensucht und Prostitution sowie Zuzug in die Großstädte und Ballungsräume geführt. Sollten keine kurz- und mittelfristigen Lösungen erarbeitet werden, werde die Gesellschaft bald von sozialen Krisen heimgesucht, prognostizierte Pirhadi.


Versprechungen, um die Gesellschaft zu beruhigen?


Das iranische Parlament erarbeitet aktuell den siebten sogenannten Entwicklungsplan für den Zeitraum von 2023 bis 2027. Die Entwicklungspläne setzen für die kommenden fünf Jahre Ziele in allen Bereichen fest. Auch im siebten Plan werden wie im vorangegangenen unrealistische Ziele angestrebt. Die Islamische Republik bezweckt damit offenbar den gesellschaftlichen Frieden.


Zu den Zielen des siebten Entwicklungsplans zählen etwa ein jährliches Wirtschaftswachstum von 8 Prozent sowie die Steigerung der Produktionskapazitäten von Erdöl, Erdgas und petrochemischen Produkten. Der Internationale Währungsfonds erwartet jedoch einen Rückgang des Wirtschaftswachstum Irans. Er hat seine bisherige Prognose von 2,5 Prozent auf zwei Prozent korrigiert.


Laut dem siebten Entwicklungsplan bedarf die Erhöhung der Produktionskapazitäten im Bereich Erdöl, Erdgas und Petrochemie eines Investitionsvolumens von rund 250 Milliarden Dollar. Angesichts der leeren Regierungskassen, die sich teilweise in verspäteten Gehaltszahlungen zeigen, sind Investitionen in solchen Größenordnungen nicht realistisch. Die fragile politische Lage sowie die internationalen Sanktionen verhindern währenddessen Investitionen aus dem Ausland. Der einzige Ausweg scheint darin zu bestehen, China mehr Zugeständnisse zu machen oder einen Kompromiss mit dem Westen, insbesondere den Vereinigten Staaten, einzugehen.


Laut dem siebten Entwicklungsplan fließt ein Großteil der iranischen Ressourcen in die Kassen der repressiven Staatsorgane und Sicherheitsbehörden. Zugleich sind die Mittel zur Bekämpfung sozialer Missstände im Vergleich zum sechsten Entwicklungsplan unverändert geblieben oder wurden sogar gekürzt.


Auch der Parlamentsabgeordnete Rahim Zare hält einige Ziele des siebten Entwicklungsplans für idealistisch und plädiert für eine realistische Zielsetzung. Um die Lage zu verbessern und flächendeckenden Unruhen vorzubeugen, sollte auf Ziele verzichtet werden, die von Vorneherein zum Scheitern verurteilt seien, sagt er.


So kann man sagen, dass auch der siebte Entwicklungsplan des Iran voller Lügen ist. Der Art von Lügen, die Gott lieben soll.♦


Übertragen aus dem Persischen von Iman Aslani




Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung vom IranJournal

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