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IR-Medienschau: vier Monaten Proteste – Strohfeuer oder Neugruppierung?


Vier Monate nach Beginn der Protestwelle im Iran scheinen sich viele DemonstrantInnen zurückzuziehen. Die Zahl der Kundgebungen sei seit dem Herbst stark gesunken, berichtet die Rheinische Post und beruft sich auf Daten des „Critical Threats Project“ (CTP) der amerikanischen Denkfabrik AEI. Der Iran-Experte Arif Keskin erklärt dies mit dem Druck des Regimes auf die Protestbewegung, andererseits aber auch, dass sich viele Demonstrierende vom Westen allein gelassen fühlten: „Sie hätten sich von Europa und den USA mehr erhofft.“

Der Deutschlandfunk verweist auf den Korrespondenten des Senders France 24, Reza Sayah, der zwei ganz unterschiedliche Narrative zitiert: Die Regierung und deren Unterstützer sagten, die Proteste seien vorbei und ohnehin nur von einer kleinen Minderheit der Bevölkerung getragen worden. Die Demonstrierenden selbst erklärten indes, die Protestbewegung sei weiter sehr aktiv und lebendig – wenn auch seltener auf den Straßen. Man arbeite an neuen Taktiken, um das Regime unter Druck zu setzen. „Es handle sich sehr wohl um eine Revolution – und der Wandel komme.“

Gegenüber Jacobin erklärt der Soziologe Nima Tootkaboni, dass die Proteste bislang primär spontan und unorganisiert waren. Daher sei es nicht überraschend, dass sie aktuell abflauten. „Trotzdem ist die allgemeine politische Atmosphäre immer noch angespannt, und es wäre nicht verwunderlich, wenn in einigen Wochen oder Monaten wieder Proteste ausbrechen sollten.“

Der Politologe Ali Fathollah-Nejad sagt gegenüber Euronews, dass sich der Iran „in einer Sackgasse (befindet), in der sich weder das Regime noch die Demonstranten durchsetzen können“. Weitere Unruhen könnten jetzt entstehen, da sich die Wirtschaftskrise des Landes verschärfe.

Derweil zitiert Iranintl aus einer neuen Erhebung, nach der die Zahl der Toten im Iran im Zuge der Proteste wesentlich höher ausfallen könnte als bisher gedacht. Während Menschenrechtsorganisationen von 500 Toten in vier Monaten ausgingen, könnte die tatsächliche Zahl zehnfach höher ausfallen.




NEWS


„EU fasst iranisches Regime mit Samthandschuhen an“

Nach den jüngsten Hinrichtungen im Iran hat die Europäische Union ihre Sanktionen gegen die Islamische Republik weiter verschärft. Nach Diplomatenangaben setzten die EU-Außenminister in Brüssel insgesamt 37 weitere iranische Verantwortliche und Organisationen auf die Sanktionsliste. Keinen Beschluss gab es zur Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als "terroristisch". Teheran hatte die EU vor einem solchen Schritt gewarnt. „Die EU fasst das iranische Regime weiter mit Samthandschuhen an“, schlussfolgert die NZZ: „Obwohl es in Brüssel immer wieder heißt, dass die Verhängung von Sanktionen wegen der Menschenrechtsverletzungen und die Verhandlungen über das Atomabkommen mit Iran zwei völlig unterschiedliche Dinge seien, fürchtet man offenbar, dass eine diplomatische Eskalation mit Teheran die Wiederbelebung des Nuklearabkommens unmöglich macht.“


Der Schütze wusste nicht, dass ich kugelsicher bin“

Immer wieder feuern iranische Sicherheitskräfte mit Granulat oder scharfer Munition gezielt auf protestierende IranerInnen, die oft daraufhin schwer verletzt werden, oft ihr Augenlicht verlieren. Doch jetzt melden sich immer mehr dieser Opfer zu Wort und erklären, dass sie es nicht bereuen, gegen das Regime protestiert zu haben.


KanadierInnen machen Jagd auf Regime-Mitglieder

In Kanada ergreifen Menschen mit iranischen Wurzeln die Initiative, um Regime-Mitglieder und mit ihm verbundene Personen in Kanada aufzuspüren – weil die kanadische Regierung nicht genug tue.



ANALYSEN/HINTERGRÜNDE


Inflation wächst rasant

Trotz staatlicher Maßnahmen wie der Zuführung von Dollar in den Devisenmarkt und dem Verkauf von Gold an der Börse steigt die Inflation im Iran rasant an, und der Rial befindet sich weiterhin im Abwärtstrend. Die Inflation allein bei Lebensmitteln liegt durchschnittlich über 70 Prozent.


Noch mehr Tote als befürchtet?

Der Jahresbericht Iran 2022 von Human Rights Watch fasst massive Menschenrechtsverletzungen durch iranische Sicherheitskräfte und Justiz zusammen.

hrw.org iranintl.com



MENSCHEN


Mohammad Mehdi Karami, 22-jähriger Karate-Champion,der am 7. Januar im Iran hingerichtet wurde, hatte laut BBC weniger als 15 Minuten Zeit, um sich in der Gerichtsverhandlung zu verteidigen. Im Bericht schildert der Vater, was er alles unternommen hat, um die Todesstrafe zu verhindern.


Prinz Reza Pahlavi, der im Exil lebende Sohn des 1979 gestürzten Schahs, soll nach dem Wunsch Hunderttausender Menschen den Übergang von der klerikalen zur säkularen Herrschaft im Iran steuern. Doch seine Person ist umstritten.


Josep Borrell, Spaniens früherer Außenminister und jetzt neuer EU-Außenbeauftragter, ist wegen seiner Politik gegenüber der Regierung im Iran umstritten. Der Politikberater Paul Butcher vom Brüsseler Thinktank European Policy Centre sagt dem Handelsblatt, dieser habe in seinem neuen Amt „das Potenzial, eine echte Katastrophe zu sein“.


Omid Mirnour, Filmemacher, hat gerade den satirischen Kurzfilm „Korruption auf Erden” vorgelegt. Im Interview äußert er sich zur Revolution und seinem künstlerischen Schaffen: „Mein Kurzfilm war eine Therapie für mich selbst“


Sara Khadem al Sharieh, in Spanien im Exil lebende iranische Schachmeisterin, hat sich erstmals öffentlich dazu geäußert, dass sie im Dezember bei einem Wettkampf in Kasachstan ohne Kopftuch angetreten war: Wenn sie den Hijab trage, fühle sie sich unwohl und nicht wie sie selbst. Sie hoffe, dass ihr Verhalten keine Repressalien für ihre Verwandten im Iran zur Folge habe.


Kawa, einer der iranischen Protestführer, wird vom iranischen Regime gesucht und versteckt sich in einem sicheren Haus hinter der Grenze im Nordirak. „Nachts bin ich immer bereit zu fliehen, wenn sie unser Haus überfallen. Ich habe alles vorbereitet“, sagt er gegenüber Sky News.



UND SONST


Im Podcast „Das Iran Update“ sprechen Gilda Sahebi und Sahar Eslah sprechen mit Mina Khani über diverse Fake News, die sich in den deutschen Nachrichten und auf Social Media verbreitet hätten. Es geht um einen Abschiedsbrief des hingerichteten 39jährigen Seyyed Mohammad Hosseini, den es nie gegeben habe, genauso wie der nicht bestätigte mutmaßliche Mord an dem sogenannten Todesrichter der islamischen Republik, Abolqasem Salavati.









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