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Raisis Traum von einem islamischen anti-israelischen Bündnis


Irans Präsident Ebrahim Raisi hat die Teilnehmerstaaten der Konferenz der islamischen Länder dazu aufgefordert, sich gegen Israel zu vereinen. Da die internationalen Organisationen angesichts des Gaza-Krieges versagt hätten, sollten die islamischen Länder selbst „das Feld betreten“. Provoziert Raisi einen flächendeckenden Krieg?


Von Sara Amini*


„Heute sind wir bei diesem außerordentlichen Treffen zusammengekommen, um eine historische und schicksalhafte Entscheidung über die Hauptfrage der islamischen Welt zu treffen: die Palästinafrage“, rief Ebrahim Raisi, Präsident der Islamischen Republik Iran, den Teilnehmern der Konferenz der islamischen Länder bei einer außerordentlichen Sitzung in der saudi-arabischen Hauptstadt zu. Die 57 Staatschefs waren am Samstag, den 11. November, in Riad zusammengekommen, um über eine mögliche Lösung des wieder aufgeflammten Nahostkonflikts zu beraten.


Raisi sah seine Stunde gekommen und spielte den Vorreiter beim Kampf gegen Israel und die USA: „Heute ist der Aktionstag. Heute ist ein historischer Tag für die heldenhafte Verteidigung der Al-Aqsa-Moschee“, verkündete der Geistliche. Heute sei der Tag des Kampfes zwischen richtig und falsch, heute sei der Tag des Sieges des Blutes über das Schwert, rief der im Iran als „Blutsrichter“ bekannte Präsident. Raisi war 1988 Mitglied einer vierköpfigen Kommission im Iran, die mehrere Tausend politische Gefangene hinrichten ließ.


In Riad stellte Raisi die anwesenden Staatschefs vor eine Alternative: „Was heute in Gaza geschieht, ist die Konfrontation zwischen der Achse der Ehre und der Achse des Bösen.“ Die Führer der islamischen Länder sollten sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollten.


Wie ein Hassprediger in den Moscheen


In der Manier eines Hasspredigers in manchen Moscheen blies Raisi ins Horn des Kampfes gegen den verhassten Westens, an erster Stelle die USA. Für ihn besteht „kein Zweifel“, dass die USA „die Wurzel allen Übels in den islamischen Ländern“ seien. Washington schicke Waffen und Geld an Israel und Kriegsschiffe in die Region, damit sei die US-Armee in den Krieg gegen „die Achse der Ehre“ und für die Schwächung und am Ende die Vernichtung des heiligen Islams gezogen, so Raisi: „Jetzt sind die internationalen Organisationen unter den Einfluss der Vereinigten Staaten geraten (…) also müssen wir selbst das Feld betreten.“


Er stellte zehn Forderungen auf, auf deren Grundlage die islamischen Länder das Feld erobern könnten. Als Erstes sollte alles getan werden, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Dass eine Seite der beiden Kriegsparteien, die Hamas, unter dem Einfluss der Islamischen Republik steht und sich mit ihrer Hilfe aufrüsten konnte, ließ Raisi dabei außer Acht. Er beziehungsweise sein Führer Ayatollah Ali Khamenei haben die Möglichkeit, auf die Hamas einzuwirken, um die Bedingungen für einen Waffenstillstand zu schaffen. Denn eine der Forderungen der internationalen Gemeinschaft zur Schaffung der Basis für einen Waffenstillstand ist die sofortige Freilassung der Geiseln, die die Hamas bei ihrem terroristischen Angriff am 7. Oktober nach Gaza verschleppt hat.



Die weiteren Forderungen des iranischen Präsidenten bestanden in der vollständigen Aufhebung der Blockade des Gazastreifens, der sofortigen und bedingungslosen Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah sowie dem „sofortigen militärischen Rückzug des zionistischen Regimes aus Gaza“ – denn das Land gehöre „vom Fluss (Jordan) bis zur See (Mittelmeer)“ den Palästinensern. Dazu forderte Raisi den Abbruch aller politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel und die Listung der israelischen Armee als Terrororganisation.


Beobachter:innen sind der Meinung, dass die Islamische Republik über die Annäherung zwischen den arabischen Staaten und Israel wütend war. Es scheint, als würde der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ein vorläufiges Ende der Annäherung markieren.


Vernichtung des Staates Israel


Nach weiteren Forderungen nach Hilfe für Palästinenser:innen und Anklage der politischen Führer Israels beim Internationalen Gerichtshof offenbarte Raisi seinen letzten Wunsch, den schon der Anführer der islamischen Revolution von 1979, Ayatollah Ruhollah Chomeini, vor mehr als 44 Jahren zur Räson der Islamischen Republik gemacht hatte und an den sich auch dessen Nachfolger Ali Khamenei hält: die Zusammenarbeit aller islamischen Länder zur Vernichtung Israels.



Die ersten neun Forderungen seien nur unmittelbare und kurzfristige Lösungen, sagte Raisi: Die „nachhaltige Lösung“ sei die Bildung „eines einzigen palästinensischen Staates vom Fluss bis zum Meer, basierend auf dem demokratischen Prinzip: Jeder Palästinenser hat eine Stimme, egal ob Muslim, Christ oder Jude.“


Arabische Staaten mehrheitlich sehr zurückhaltend


Im Gegensatz zu Raisi waren die Führer der arabischen Staaten allerdings mehrheitlich sehr zurückhaltend. Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman verurteilte zwar „das Verbrechen gegen die Palästinenser“, forderte aber gleichzeitig die Freilassung der von der Hamas entführten Israelis. Selbst der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, war um Frieden bemüht: „Wir werden keine militärischen und sicherheitspolitischen Lösungen akzeptieren, weil sie alle gescheitert sind“, sagte Abbas und forderte erneut die Zwei-Staaten-Lösung.


Auch in der Schlussresolution der außerordentlichen Sitzung in Riad gab es keine militanten Töne oder Äußerungen zur Vernichtung des Staates Israel. Eine der Forderungen darin lautet, dass die Vereinten Nationen sobald wie möglich eine Friedenskonferenz einberufen sollten.


Verzicht auf Chomeinis Testament


Was viele Iraner:innen in den Sozialen Netzwerken spöttisch kritisierten, war die Tatsache, dass Ebrahim Raisi sich in seiner Rede als Erstes in freundlichem Ton bei der Regierung Saudi-Arabiens als Gastgeber bedankte. Dies widerspreche den Drohungen, die die Islamische Republik in den vergangenen 44 Jahren gegen Saudi-Arabien ausgesprochen habe. Nicht wenige wiesen auf das Testament des Republikgründers Chomeini hin, an das sich angeblich auch die heutige Regierung hält. Darin schreibt Chomeini, die saudische Familie sei eine „Verräterin am großen Heiligtum des Islams“ und man solle sie in allen religiösen Zeremonien verfluchen.


„Selbst wenn wir einem wie Saddam verzeihen, werden wir die saudische Familie niemals begnadigen“, schrieb Chomeini. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte 1980 den Befehl zu einem verheerenden Krieg gegen den Iran gegeben, bei dem Hunderttausende Iraner:innen getötet oder verstümmelt und zahlreiche Städte zerstört wurden. ♦


*Sara Amini ist ein Pseudonym, um die Autorin zu schützen. Die Journalistin arbeitet für iranische und ausländische Medien.


Aus dem Persischen übertragen und überarbeitet von Farhad Payar



Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Iran-Journal

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