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EU verhängt Sanktionen gegen ArvanCloud

Etwa drei Wochen nach einer gemeinsamen Recherche von taz, Correctiv und netzpolitik.org hat die EU heute Sanktionen gegen ein iranisches Cloud-Unternehmen verhängt. Die netzpolitik.org-Recherchen hatten die Rolle des Unternehmens beim Aufbau eines abgeschotteten Netzes im Iran offengelegt.


Von Markus Reuter


Die Europäische Union hat das iranische Cloud-Unternehmen ArvanCloud auf seine Sanktionsliste (PDF) gesetzt, die heute veröffentlicht wurde.




In der Begründung der EU heißt es zu ArvanCloud:

Seit 2020 ist es ein wichtiger Partner bei dem Projekt der iranischen Regierung im Allgemeinen und des iranischen Ministers für Informations- und Kommunikationstechnologie im Besonderen, um eine separate iranische Version des Internets einzurichten. Ein solches nationales Intranet mit Verbindungspunkten zu dem globalen Internet wird dazu beitragen, den Informationsfluss zwischen dem iranischen Intranet und dem globalen Internet zu kontrollieren. Als solches ist ArvanCloud an der Zensur und den Bemühungen der iranischen Regierung beteiligt, das Internet als Reaktion auf die jüngsten Proteste im Iran abzuschalten. ArvanCloud wird auch mit Personen in Verbindung gebracht, die für schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran verantwortlich sind, insbesondere mit dem in der EU gelisteten iranischen Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie.

Gemeinsame Recherchen von taz, Correctiv und netzpolitik.org sowie unabhängig davon ein Bericht des Tagesspiegels hatten im Oktober gezeigt, dass das deutsche Unternehmen aus Meerbusch in Nordrhein-Westfalen zusammen mit ArvanCloud in den Aufbau eines abgeschotteten Internets im Iran verwickelt ist. Softqloud betrieb zum Zeitpunkt der Recherche und darüber hinaus mehrere Datenzentren in Europa, die bei einer Abschottung des Internets den Betrieb des internen iranischen Netzes hätten gewährleisten können.


Verbindungen zum iranischen Regime


Die Firma Abr Arvan, die im Internet als ArvanCloud.com auftritt, ist in ein dichtes Netz iranischer Unternehmen und Banken eingebunden. Ein Tochterunternehmen der FANAP hat Beteiligungen an Abr Arvan. Die FANAP ist ein Technologie-Unternehmen der iranischen Pasargad Bank mit vielen Untergliederungen. Die Pasargad Bank wurde von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt, weil sie die Revolutionsgarden unterstützen soll. Auf der Webseite der FANAP gibt es eine eigene Seite über ArvanCloud, auf der es heißt, dass das Unternehmen 200 Mitarbeiter:innen habe. Die Recherchen konnten zeigen, dass es enge Verbindungen zwischen dem iranischen Regime und ArvanCloud gibt.


Eng waren auch die Verbindungen zwischen ArvanCloud und der deutschen Softqloud GmbH. Unsere Recherchen legen nahe, dass es sich nicht um eine eigene Firma handelte, sondern dass diese unter der Kontrolle des iranischen Internetunternehmens stehen oder gestanden haben könnte. Dies bestritten Abr Arvan und Softqloud damals. Softqloud selbst sagte, dass ArvanCloud ein gemeinsames Projekt von Abr Arvan und Softqloud gewesen sei. Diese Version vertritt auch ArvanCloud.


Nach den Recherchen von taz, Correctiv und netzpolitik.org sind die Unternehmen ArvanCloud und Softqloud daran beteiligt, ein funktionierendes iranisches „Intranet“ zu bauen. Dies belegen unter anderem Verträge, die netzpolitik.org teilweise veröffentlicht hat. ArvanCloud bestreitet, dass es eine bedeutende Rolle beim Aufbau dieses Netzes spielt.


Iranische Internetaktivisten haben schon seit Längerem auf die Rolle von ArvanCloud hingewiesen. Einige von ihnen sind derzeit in Haft im Iran.


Aufbau eines nationalen Intranets


Seit 2005 will der Iran ein so genanntes „National Information Network“ (NIN) aufbauen – eine Art Intranet im Iran, das vom weltweiten Internet unabhängig ist. Als Vorbild dient China, das mit der „Great Firewall“ ein solches Netz schon aufgebaut hat. Mit Hilfe des nationalen Netzes könnte das Teheraner Regime das internationale Internet blockieren, während iranische Unternehmen und Regierungsinstitutionen dank des Intranets weiterarbeiten könnten.


Derzeit bringen die Internetabschaltungen, mit denen das Regime regelmäßig Proteste, Mobilisierungen und Informationsflüsse behindert, das Land digital zum Erliegen – mit entsprechenden Kosten für die iranische Wirtschaft. Allein der Online-Handel macht nach Angaben der iranischen Handelskammer in jeder Stunde, in der das Internet abgeschaltet wird, Verluste in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro.



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