Wie beobachten IranerInnen, Exil-IranerInnen oder im Westen lebende Menschen mit iranischen Wurzeln die Proteste in Iran? Mit einem Fragebogen holen wir Stimmen ein. Diesmal: die Journalistin Susan Zare.
Die Proteste in Iran halten seit Wochen an. Mit welchen Gefühlen oder Gedanken beobachten Sie diese aktuell?
Ich beobachte die Situation mit Hoffnung und Demut, aber auch Schmerz. Hoffnung, weil eine noch nie da gewesene Situation entstanden ist. Menschen aus dem ganzen Land, aus verschiednen Ethnien, Gesellschaftsschichten, Religionen und Altersstufen haben ein gemeinsames Ziel, für das sie kämpfen. Demut, weil ich vor dem Mut gerade der Frauen niederknien möchte. Und Schmerz, weil es meiner Familie, Freundinnen und Freuden und den Menschen im Iran schlecht geht. Und wir hier vor allem eines tun können. Für sie laut werden.
Haben Sie direkte Kontakte zur Bevölkerung in Iran? Falls ja: Was hören oder lesen Sie dort?
Meine große Familie lebt dort, sowie viele Freunde und Bekannte. Ich habe im Iran ein halbes Jahr studiert und auch sonst immer viel Zeit verbracht. All das ist gerade durch meine Worte nicht mehr möglich, aber mein tiefer Wunsch ist es, meine Familie, eines Tages, in neuer Freiheit für sie, wiederzusehen. Jeden Tag höre ich viele Informationen aus dem Land und versuche diese in meiner Arbeit als Journalistin zu verbreiten.
Hierzulande – in Deutschland als auch anderen westlichen Ländern – wird das Thema in den Medien überlagert von anderen Themen wie dem Ukraine-Krieg. Was muss sich tun, um dies zu ändern?
Ich glaube, wir brauchen viel Aufklärung und Verständnis. Denn, hier geht es um unsere Werte.
Es geht um die Rechte der Frauen, der LGBTQIA+ Community, sowie ganz existenzielle Menschenrechte. Eine System-Veränderung Irans würde nicht nur das Leben der Menschen Irans verbessern, sondern die Welt ein wenig verbessern und auch uns in Deutschland konkret helfen.
Was ist Ihre Prognose: In welche Richtung wird sich Iran bzw. wird sich der Aufstand in den kommenden Monaten entwickeln?
Ich möchte an der Stelle Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi zitieren. Sie sagte in einem Interview des Deutschlandfunks: Wir sind am Beginn einer Revolution. Und auch viele meine Kolleginnen und Kollegen sagen: Es ist der Point of no return. Es geht nicht um die Frage ob – sondern wann und wie. Wir können gerade nur hoffen, dass die Menschen im Iran in diesen katastrophalen Gewaltzuständen durch das System durchhalten werden.
Susan Zare ist deutsch iranische freie Moderatorin und Hörfunk-Journalistin. Seit 15 Jahren moderiert sie im Radio, vor der Kamera, auf Bühnen und digital im Netz. Sie studierte Musikwissenschaften, Iranistik absolvierte ein Hörfunk Volontariat. Für den Deutschlandfunk moderiert sie unter anderem regelmäßig die Reise- und Musiksendung Sonntagsspaziergang, gab ihre Stimme bereits bekannten Hörbüchern und berät Kunden zum Thema Moderation und Medientraining. Außerdem setzt sie sich durch im Dialog für die Rechte der Menschen im Iran ein. Ihre Leidenschaft neben ihrem Beruf gilt der Musik.
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