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Indien: Riskanter Hafendeal mit dem Iran

Trotz Sanktionswarnungen der Vereinigten Staaten: Indien hat den weiteren Ausbau des Tschahbahar-Hafens im Süden Irans gebilligt.




Vergleich der Transportentfernung zwischen Nord- und Osteuropa und Indien, Zbk1, Public domain, via Wikimedia Commons

Anfang dieser Woche war es soweit: Indien und Iran unterzeichneten einen 10-Jahres-Vertrag über den Ausbau und den Betrieb des Hafens Tschahbahar am Golf von Oman. Die Vereinbarung, getragen von den Hafenbehörden beider Länder, ist für Indien ein wichtiger Schritt, um sich eine seit Jahren angestrebte Transitroute für indische Waren zu den Märkten in Iran, Afghanistan, Zentralasien und darüber hinaus zu sichern.


Im Rahmen des zwischen Indian Ports Global Limited (IPGL) und der Ports and Maritime Organization of Iran (PNO) unterzeichneten Abkommens wird Indien nun insgesamt 370 Millionen Dollar (341,7 Millionen Euro) in die Entwicklung und Finanzierung des Hafens investieren.



Warnungen aus den USA


Nach der Unterzeichnung des Abkommens in Teheran erklärte der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, in einem Pressegespräch, dass jeder, der Geschäfte mit dem Iran in Erwägung ziehe, sich des "möglichen Risikos" von Sanktionen bewusst sein müsse, denen er sich durch diesen Schritt aussetze. "Die US-Sanktionen gegen den Iran bestehen nach wie vor, und wir werden sie weiterhin durchsetzen", so Patel.


Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar erklärte hingegen, die Vereinigten Staaten hätten die "größere Bedeutung" des Hafens in der Vergangenheit "gewürdigt".


Im Jahr 2018 haben die USA den Betrieb des Hafens von den Sanktionen ausgenommen, um die Lieferung von Waren und Treibstoff in das vom Krieg zerrissene Afghanistan zu ermöglichen. Über das Terminal wurden mehr als 90.000 Container und 2,5 Millionen Tonnen Weizen sowie andere Hilfsgüter umgeschlagen.


"Ich denke, es ist eine Frage von Kommunikation und Überzeugung", so Jaishankar. "Man muss den Menschen klarmachen, dass das Projekt für alle von Vorteil ist. Ich glaube nicht, dass man eine allzu enge Sichtweise darauf haben sollte."




Indien und USA: wachsende Kluft


Derzeit sei noch unklar, wie sich die Sanktionen auf den Betrieb von Tschahbahar auswirken könnten, sagt die indische Politologin Shanthie Mariet D'Souza, derzeit Gastprofessorin an der University of Massachusetts-Amherst, im DW-Interview. "US-Sanktionen können das volle Potenzial von Tschahbahar als Handelsdrehscheibe allerdings einschränken."


"Indiens selbstbewusste außenpolitische Entscheidungen zum Ukraine-Krieg, zu Öl- und Waffenimporten aus Russland, zur Unterstützung des Militärs in Myanmar und zu Geschäften mit dem Iran, die im Widerspruch zur Politik Washingtons stehen, könnten die Biden-Administration allerdings dazu zwingen, eine andere Politik gegenüber Neu-Delhi zu verfolgen", so D'Souza weiter.


Kann Modi Indiens Wirtschaftswunder aufrechterhalten?


Indiens Interesse an der Entwicklung des Hafens von Tschahbahar reicht bis ins Jahr 2003 zurück. Damals unterzeichnete das Land eine "strategische Roadmap" mit Iran. Der Hafen selbst war bereits während des iranisch-irakischen Krieges im Jahr 1983 eröffnet worden.


Erst 2016 begann Indien mit der Renovierung eines Frachtliegeplatzes und eines Containerterminals. Im Jahr 2018 übernahm Indien den Betrieb in Tschabahar.


"Das Projekt hat sich seit über zwei Jahrzehnten entwickelt. 2018 übten die USA Druck aus. Damals verhängte die Regierung Trump Sanktionen. Aber Indien hat es geschafft, eine Ausnahmeregelung zu bekommen, und zwar unter Berufung auf die Lage in Afghanistan", erläutert der Politikwissenschaftler Aftab Kamal Pasha von der Jawaharlal Nehru Universität, der DW.


"Wir müssen unsere strategische Autonomie betonen - und zwar im Bewusstsein, dass das Land für die Interessen der USA in der Region, insbesondere als Gegengewicht zu China, von enormer Bedeutung ist", so Pasha.



Wachsende regionale Rivalitäten


Die geopolitischen Dimensionen des Ausbaus von Tschahbahar werden deutlicher, wenn man einen Blick auf den gut 200 Kilometer weiter östlich gelegenen Hafen Gwadar in Pakistan wirft.


Grundsätzlich will Indien der chinesisch-pakistanischen Partnerschaft sowie Pekings wachsendem Einfluss in der Region des Golf von Oman entgegenwirken. Doch das Land sieht seine Position als Regionalmacht durch den Hafen von Gwadar und die enge Zusammenarbeit zwischen China und Pakistan infrage gestellt.


Tatsächlich hat China im Rahmen der "Belt and Road"-Initiative Milliarden Dollar in Infrastrukturprojekte für Handelsrouten investiert. Diese sind als "Chinesisch-Pakistanischer Wirtschaftskorridor" bekannt. China investiert in den Hafen von Gwadar, der Peking als Tor zu den Weltmärkten über den Indischen Ozean dienen soll.


Aufgrund des langjährigen Konflikts zwischen Indien und Pakistan ist es für Indien schwierig, eine sichere Transitroute zu den Märkten im Iran, in Afghanistan, Zentralasien und in der Golfregion einzurichten.


Pakistan untersagt den Landtransport indischer Waren über sein Territorium. Durch die Finanzierung des Ausbaus des Hafens Tschabahar löst Indien dieses Zugangsproblem mit einer sicheren Transitstrecke.


Indiens proaktiver Ansatz in Bezug auf Tschahbahar sei ein kalkulierter Schachzug, um die regionale Präsenz zu stärken und ein strategisches Gegengewicht zum Einfluss Chinas zu schaffen, sagt der Politologe Foad Izadi von der Universität Teheran im DW-Interview. Indiens expandierende Wirtschaft biete eine Fülle von Möglichkeiten für Länder in der Region. Der Iran könne davon als zentraler Transitpunkt nach Zentralasien und Russland profitieren.


Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar (l) und sein iranischer Amtskollege Hossein Amir Abdollahian in Teheran, Januar 2024Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar (l) und sein iranischer Amtskollege Hossein Amir Abdollahian in Teheran, Januar 2024

Im Gespräch: der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar (l) und sein iranischer Amtskollege Hossein Amir Abdollahian in Teheran, Januar 2024Bild: AFP via Getty Images

Neue Handelsroute nach Russland über den Iran?


Wird der Hafen ausgebaut, könnte er auch in die Pläne für den Nord-Süd-Verkehrskorridor (INSTC) einbezogen werden, eine mehrgleisige Straßen-, Schienen- und Seeroute, auf deren Bau sich Indien, Iran und Russland im Jahr 2022 geeinigt hatten. Sie soll den Indischen Ozean und den Persischen Golf über den Iran mit dem Kaspischen Meer und weiter mit Russland verbinden.


"Tschahbahar und seine künftige Einbindung in den INSTC sind für Indien von großer Bedeutung, insbesondere wenn die Aussichten für das Projekt des Wirtschaftskorridors Indien-Mittlerer Osten-Europa (IMEC) düster sind", sagte D'Souza.


Der INSTC wäre im Zusammenspiel mit dem Hafen Tschahbahar eine entscheidende Komponente einer langfristigen indischen Strategie zur verbesserten Anbindung an globale Märkte, sagt der Ökonom Gulshan Sachdeva von der Jawaharlal Nehru Universität der DW. "Angesichts des enormen indisch-russischen Energiehandels und des wachsenden Engagements Indiens im Südkaukasus, insbesondere bei den Rüstungsexporten nach Armenien, könnte das INSTC an Bedeutung gewinnen."


Zwar sei aufgrund des Ukraine-Krieges die Verbindung zwischen europäischen Ländern und Russland über den INSTC derzeit nicht möglich, so Sachdeva. Aber es gebe Optionen, sie über die Route Iran-Armenien-Georgien und das Schwarze Meer zu verbinden. "Die von den USA gegen Russland und den Iran erhängten Sanktionen haben zu Schwierigkeiten geführt, insbesondere für im Westen tätige Privatunternehmen." Die indischen Politiker seien jedoch entschlossen, Wege zu finden, um mit den Plänen der USA umzugehen, so Sachdeva.


Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.



Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von DW

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