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Wartet nicht auf den Exil-Messias

Die Revolution im Iran stagniert nicht nur wegen der massiven Unterdrückung durch die Mullahs, sondern auch wegen der stumpfen Debatten und der unkoordinierten Bemühungen von Aktivist*innen in der Diaspora. Ein Kommentar von Ali Khademolhosseini, deutsch-iranischer Menschenrechtler.



Ali Khademolhosseini

Eine Revolution ist nur dann eine Revolution, wenn sich die ultimative Alternative zum gegenwärtigen Übel durchsetzt. Doch was wäre eine Revolution mit ungeklärtem Ausgang für eine Alternative? Vereinfacht gesagt, wäre sie eine Vortäuschung, nach dem Motto: "Fake it till making it." Es gibt ein großes Sammelsurium von Problemen in der iranischen Diaspora, die einer gelingenden Freiheitsrevolution entgegenstehen.


Dabei sind diese Knoten nicht grundsätzlich unlösbar, sondern erfordern mehr Bemühungen, mehr Beharrlichkeit und auch mehr Behutsamkeit der iranischen Diaspora. So kann durch die Kompromissfindung eine echte Alternative geschaffen werden.


Die umstrittene Frage „Was kommt nach dem Regime?“ bremst die Revolution aus


Spätestens seit der Großdemonstration in Berlin am 22. Oktober bleibt es eine offene und umstrittene Frage, wo und mit welchen Mitteln nun die Freiheit errungen und wodurch das Regime im Iran anschließend ersetzt werden soll. Tatsächlich ist diese ungeklärte Frage seit langem ein zentrales Hindernis, deren Beantwortung uns in die nächste Phase der Revolution leiten würde.


Die AktivistInnen in der Diaspora müssen selbst handeln


Die Aktivist*nnen in der Diaspora sehen sich jedoch nicht in der Lage, eine solche Lösung zu finden, da sie oft nach prominenten Personen suchen, nach dem Exil-Messias, der dies für sie tut. Dabei verkennen sie die Tatsache, dass sie selbst es sind, die motiviert sein sollten, eine Antwort zu finden. In der Tat verstehen sie sich Teile der Diaspora – von außerhalb Irans operierend – nicht als Teil der iranischen Gesellschaft, die das Recht hat, sich für diesen Zweck politisch zu organisieren und zu entwickeln. Eine neue politische Macht und Legitimität muss von Ideen ausgehen, die von den Menschen selbst mitgetragen werden. Ohne Menschen, die Ressourcen zur Verfügung stellen, kann man keine Macht generieren, ohne Ideen, die die Interessen klären, kann man keine Menschen organisieren. Es bedarf ausdrücklich eines gemeinsamen Nenners, eines allgemeinen Narrativs, das die Absichten, sogar die Interessen und Strategien präzisiert. In der Sache sind sich die Menschen zwar nahe, dennoch streiten sie sich über Einzelheiten.


Nur im Dialog können Perspektiven entwickelt werden


Eine Alternative für die zeitgenössische Realität im Iran kann nur dann entstehen, wenn die Menschen anfangen, miteinander zu konversieren und ihre Ideen zu formulieren. Denn an Ideen mangelt es nicht, wohl aber an Kompromissbereitschaft und Wertschätzung für Unterschiede und Besonderheiten. Die Grundlage dafür ist längst gegeben. Denn die Diaspora besitzt genügend Mobilisierungskraft, und sie hat eine hervorragende Arbeit geleistet, indem sie Menschen, die bislang nicht politisch engagiert waren, ermutigt hat, sich zu engagieren und in Gruppen zu organisieren, in denen ihre Ansichten berücksichtigt werden.


Mangelnde Koordination hemmt die Bewegung


Die Diversität der Ideen und Herangehensweisen hat bisher aber auch Nachteile mit sich gebracht hat. Seitdem die Abgeordneten begonnen haben, politische Patenschaften zu übernehmen, entstanden verschiedene Gruppen, die politische Patenschaften für eine große Anzahl von politischen Gefangenen vermitteln. Wenngleich die Absicht sehr gut und logisch ist, so fehlt es doch an einem wichtigen Bestandteil, nämlich an der Koordinierung der verschiedenen Gruppierungen.


Das Fehlen einer angemessenen Koordination führte zu einem Wirrwarr in den Büros einiger Parlamentarier und der Notwendigkeit für zahlreiche Aktivisten, die Arbeit noch einmal von vorne zu beginnen, was letztlich eine enorme Bürde bedeutet. Genau das ist der wahre Grund, weshalb die iranische Revolution nicht voranschreitet. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung das Regime loswerden will, hat das Fehlen eines geeigneten Organisationsrahmens für die Arbeit der Aktivisten dazu geführt, dass die Umsetzung einer Idee bis zu dreimal so viele Versuche erfordert, um das gewünschte Resultat zu erzielen.


Referendum als nächstes Etappenziel


Doch was ist das Ziel? Ich habe früh genug gelernt, dass Ziele, um erreichbar und nachvollziehbar zu sein, präzise, messbar, reizvoll, realitätsbezogen und terminiert sein müssen. Genau hier würde der Dialog uns helfen, um koordiniert und zielorientiert zu handeln. So könnte beispielsweise eines der Ziele darin bestehen, das Referendum anzustreben und den Druck nicht nachzulassen, bis es zustande gekommen ist. Immerhin ist ein Referendum ein wirkungsvolles Instrument, um das System zu entmachten. Und anders als bei allen anderen politischen Forderungen, die das Regime schwächen sollen – obwohl es keine Klarheit über die Strategie und die Frage gibt, wer die Macht übernehmen soll, –, kann eine ausgearbeitete Forderung nach einem Referendum genau diese entscheidenden Fragen beantworten und der Revolution den Weg in die nächste Phase ebnen.


Denn in der nächsten Phase sollte es darum gehen, das Regime entmündigen zu können, d.h. dem Regime nicht zu ermöglichen, seine Ressourcen zu mobilisieren. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass die demokratischen Kräfte mehr und mehr politische Macht erlangen werden. Ein erfolgreicher Dialog ist der Beginn einer Volkskoalition, um das Regime zu beseitigen und seiner Führung den Weg nach Den Haag zu ebnen.

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